Bouldern - Zum ersten Mal am Fels

Bouldern - Zum ersten Mal am Fels

Fehler, Frust und die Lehren,
die ich daraus gezogen habe
Juliane Fritz

Ein Beitrag von Juliane Fritz


Als ich anfing in der Halle zu bouldern bekam ich oft vermittelt: Das „richtige“ Bouldern ist draußen! Alles ist viel schöner, freier und ursprünglicher! Instagram ist voll von inspirierenden, anziehenden Outdoor-Boulderfotos. Ok, dann geh ich halt mal raus und mach da mit. Kann ja nicht so schwer sein, oder? Hier erfährst du, warum ich direkt nach Tag 1 keinen Bock mehr hatte, welche Fehler ich gemacht habe und welche Lehren ich dir mit auf den Weg geben will.

Das erste Mal draußen am Fels bouldern habe mir sehr einfach vorgestellt. Damals hatte ich ca. ein Jahr Bouldererfahrung in der Halle. Ich lief noch mit den Schuhen rum, die die Pros in der Halle als “Hausschuhe” belächelten. Ich hatte schon meine kleinen Erfolgserlebnisse, fühlte mich stark und war voller kindlicher Neugier das “Draußenbouldern” zu probieren.

Wie schwer kann das schon sein am Fels zu bouldern? Wenn man in der Halle an Griffen ziehen kann, dann geht das draußen bestimmt genauso gut. Man bedenke, dass die Leute früher ja auch keine Boulderhallen zum “üben” hatten! Da ging es direkt am Fels los. Crashpads gab es auch noch keine. Das hat niemanden davon abgehalten auf kleine Blöcke zu klettern. Dann wird das jawohl für mich, mit einem Jahr Trockenübung und dem größten Crashpad, das der Kletterladen zu bieten hatte, ein Kinderspiel.

Es sollte in den Harz gehen, an Granitfelsen. Ich und mein Freund hatten total Bock und ließen uns auch nicht einschüchtern von der Warnung eines erfahrenen Boulderers: “Der Granit im Harz ist sehr spitz und scharf an der Haut.” Und ich so: “Alles klar, schon gut, danke!”XXL-Crashpad ab ins Auto und los!

Draußen Bouldern – Tag 1

Juliane bouldert in Langenstein

Es war, als hätte ich noch nie Griffe angefasst. Ich hatte das Gefühl, diese Felsen fahren ihre bösen kleinen Granit-Spitzen aus, damit ich mit aller Macht zu spüren bekomme: Du bist unwürdig! Mir war wirklich schleierhaft, wie und wo man da überhaupt anfassen soll.

Man sollte auch nicht glauben, dass ich auf dem Dorf aufgewachsen bin. Ich habe damals erstaunlich wenig Abenteuerlust verspürt, mich durch Büsche und Dornen zu arbeiten, weil laut Boulderführer eventuell dahinter irgendwo ein Fels auftaucht, der dann wieder richtig fies scharfkantig oder total vermoost ist.

Fazit: Level 1 nicht bestanden! Geh zurück in deine Halle, wo du herkommst! Wenn das dieses tolle Draußenbouldern ist, von dem die Leute reden, dann habe ich da keine Lust drauf. Ich muss zugeben, ich bin nicht besonders gut darin, in etwas nicht gut zu sein. Mir war auch nicht zu helfen mit Pseudo-Psychologie à la: “Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”.

(Nicht-) Draußen Bouldern – Tag 2

Wir fuhren mit deutlich weniger Ambitionen in den Wald. Diesmal hieß es, wir gehen einfach nur wandern und FALLS wir da ZUFÄLLIG einen Fels entdecken, der IRGENDWIE MACHBAR aussieht, machen wir das! Klingt voll psyched, oder?

Auch an Tag 2 ist nichts spektakuläres passiert. Abends wurde dann nochmal der Boulderführer gewälzt. Gibt es nicht irgendein easy-peasy Anfängergebiet hier im Harz?

Doch! Das Stichwort ist: Sandstein! Ich hatte natürlich schon von Fontainebleau gelesen. Davon, dass dieses Gebiet und der Fels dort auch für Anfänger etwas zu bieten hat. Keine Hautaufschlitz-Tortur, sondern abgerundeter feiner Sandstein. Im Harz-Führer wurde ein Gebiet angepriesen als “Petit Bleau”. Das war unser nächstes Ziel!

Draußen Bouldern - Tag 3

Wir fuhren nach Langenstein. Ein Ort am Rand des Harzes, in dem es ein kleines Areal gibt mit netten Sandstein-Blöcken. Zum Teil sogar frei stehend, mit gutem Absprung-Gebiet.

Ich will nicht sagen, dass es dort plötzlich ganz leicht war oder dass ich irgendeine Route aus dem Boulderführer geschafft hätte. Aber ich wurde nicht vom Fels abgestoßen, als würde ich hier nicht hingehören. Ich probierte ein paar Züge von denen ich dachte, dass ich sowas mal in Outdoor-Bouldervideos gesehen habe. Wenn ein Move klappte, war ich schon froh. Zwei Züge hintereinander: Jackpot! Ich hatte zumindest eine Idee davon, wie das hier funktionieren könnte.

Am Ende unseres kleinen Boulderurlaubs probierten wir noch zwei weitere Sandstein-Gebiete im Harz, die sehr schön waren. Wir fragten uns, warum zur Hölle wir direkt am Granit angefangen hatten? Wir wurden schließlich gewarnt!


Draußen Bouldern ist anders als in der Halle

Surprise, surprise! Draußen ist natürlich einiges anders! Die unterschiedlichen Gesteinsarten spielen eine Rolle. Aber damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Granit ist nicht grundsätzlich schlecht für Anfänger und Sandstein nicht grundsätzlich gut. Die Beschaffenheit dieser Gesteinsarten sind unterschiedlich, von Gebiet zu Gebiet. Deshalb frag jemanden, der sich dort auskennt!

Draußen kann es eine echte Herausforderung sein, die Routen zu verstehen, wenn einem die bunten Griffe und Tritte nicht förmlich ins Auge springen. Ganz abgesehen davon ist es manchmal schwer, die Blöcke im Wald zu finden, die im Boulderführer ausgeschrieben sind.

Das XXL-Crashpad hat übrigens auch nicht dazu geführt, dass ich mich draußen sicherer fühlte. Ich dachte am Fels klammernd oft darüber nach, wie ich eventuell beim Fallen das Crahspad verfehle und mich verletze. Erschwerend kommt hinzu, dass du ein Crashpad nicht immer auf ebenen Boden legen kannst. Der Waldboden wurde nicht als Boulder-Fallzone kreiert, sondern ist schief, verwurzelt, da liegen kleinere Felsblöcke usw.

Letztendlich braucht es einfach mehr Zeit, Equipment und Vorbereitung, wenn man draußen unterwegs ist.

Die Dinge, die einem die Halle bietet, fehlen logischerweise: Du brauchst Verpflegung, Crashpads, Bürsten zum Fels putzen, die Shitschaufel um deine Hinterlassenschaften im Wald zu verbuddeln und Müllbeutel.

Es sollte eigentlich klar sein, aber: Hinterlasse den Wald am besten sauberer, als du ihn vorgefunden hast! Nimm auch den Kram von denen mit, die noch nichts von Naturschutz gehört haben. Sehr wichtig ist auch, sich online oder analog in einem Boulderführer über das Gebiet zu informieren. Was ist dort erlaubt, was nicht?

Routenbewertungen in der Halle vs. draußen

Hallengrade haben mit Draußengraden nichts zu tun. Ich habe mich anfangs gefragt, ob nur ich das so empfinde, aber offenbar geht es den meisten so. Wenn du dich in der Halle an einer 5a aufwärmst, kann es sein, dass du sie draußen mit Ach und Krach hinbekommst. Vielleicht liegt es daran, dass die Leute, die draußen neue Routen erschließen nicht den "Servicegedanken" eines Hallen-Routesetters haben. In der Halle geht es darum, auch neuen Kundinnen und Kunden einen Einstieg ins Bouldern zu ermöglichen, mit leichten Problemen. Wer draußen bouldert und neue Routen begeht, der sucht die Herausforderungen.

So kann es sein, dass du als Neuling selbst mit Boulderführer in der Hand verloren bist. Meine besten Erlebnisse am Fels hatte ich, wenn ich mit Menschen dort war, die sich in dem Gebiet auskennen und die meine Skills gut einschätzen können. Dadurch wurde ich direkt an die Routen geführt, die zu mir passen. Am besten schnappst du dir also eine Person aus der Halle, die in dem Bouldergebiet erfahren ist und ihr fahrt zusammen hin.

Bei meinem ersten Fontainebleau-Besuch hatte ich keinen Guide. Da half es mir, das Bleau-Buch wegzulegen und einfach nur den Fels anzusehen: Welche Strukturen sehen spannend aus? Wo möchte ich versuchen hochzuklettern? Unabhängig davon, ob das eine im Führer definierte Route ist, die irgendjemand mit einer Wertung versehen hat. Viele mögen das anders sehen, aber ich denke, das ist die eigentliche Faszination da draußen. Es entspricht am ehesten der kindlichen Neugier: Niemand hat etwas für dich definiert und niemand sagt dir, wo du hoch musst! Der Fels ist ein leeres Blatt Papier und du zeichnest deinen Weg!

Was ist die Moral von der Geschichte?

Natürlich kannst du “einfach” raus an den Fels. Uninformiert und ohne Vorbereitung kann das aber sehr frustrierend sein. Wenn du auch so ein "Hallenkind" bist wie ich, dann können können dir diese Hinweise helfen:

  1. Hol dir Hilfe und Tipps von erfahrenen Boulderinnen und Boulderern. Fahr am besten mit jemandem hin, der oder die das Gebiet kennt.
  2. Informiere dich über die Felsarten. Wenn dir jemand sagt, dass ein bestimmter Fels in einer Region nichts für Anfänger ist, dann kann das stimmen.
  3. Versuche, die dir bekannten Bouldergrade außer Acht zu lassen. Meiner Erfahrung nach kann so ein Boulder-Ego ganz schön Schaden nehmen, wenn man an vermeintlich einfachen Routen scheitert. Schau nicht auf die Grade und freu dich auch über die kleinen Erfolge.
  4. Bring Geduld mit! Ich habe das Gefühl, dass ich draußen mehr Frustrationstoleranz bzw. mentale Ausdauer brauche. Während ich in der Halle schnell eine Route nach der anderen abhake, ist draußen eher "Projektieren" angesagt. Manchmal dauert es lange, bis man ohne die bunten Griffe und Tritte seine Beta findet und sie korrekt einübt, um letztendlich ans Ziel zu kommen.
  5. Prüfe, wie du wieder runter kommst! Gerade als AnfängerIn kann das draußen Bouldern mit mehr Höhenangst verbunden sein. Wenn du planst, auf einen Block zu klettern, schau dir vorher an, ob und wie du da wieder runter kommst!
  6. Hab ein gutes Aufwärmprogramm! In der Halle wärme ich mich gerne an leichten Routen mit großen Griffen auf. Draußen gibt es diese Art Routen manchmal nicht. Deshalb finde ich es wichtig, dass man lernt, seinen Körper auch abseits der Wand durchzubewegen und den Kreislauf in Schwung zu bringen.
  7. Informier dich: Was ist in dem Gebiet erlaubt und was nicht? Wie verhält man sich draußen richtig, um unsere Bouldergebiete zu erhalten? Das betrifft das Thema Naturschutz, aber auch die Achtung vor den Regeln, die die Anwohner vor Ort aufstellen bezüglich Parken, Camping etc.

Mehr? Hier gibt's was auf die Ohren!

Mehr zum Anhören über das Draußenbouldern im BIN WEG BOULDERN Podcast:

Outdoor Bouldern: Im Gespräch mit Stella-Louise Rosière

Fast sechs Monate waren Stella-Lousie Rosière und ihr Freund 2018 in Europa unterwegs und haben diverse Bouldergebiete besucht. Auch um Berlin herum haben sie schon viel draußen entdeckt und erlebt. Deshalb wollte ich gerne mit Stella übers Outdoor Bouldern reden. Ich wollte wissen: Welche Gebiete sind toll? Welche sind z.B. für Anfänger geeignet? Am Ende wurde es nicht nur ein Gespräch über die Merkmale der verschiedenen Boulder-Gebiete, sondern vor allem über die Frage: Wie verhalten wir uns richtig draußen am Fels? Stella hat auf ihrer Reise oft erlebt, dass Boulderer offenbar die Verhaltensregeln nicht kennen. Doch diese sind wichtig, um die Natur und die Felsen zu erhalten. Letztendlich aber auch, um die Felsen weiterhin als Bouldergebiete zu erhalten! Denn wenn sich Anwohner irgendwann gestört fühlen, wenn die Gebiete durch Boulderer verdreckt werden, es zu Waldbränden kommt usw. – dann wurden und werden Gebiete fürs Bouldern geschlossen.

Gaetane Hay vom französischen Forstamt in Fontainebleau über das Bouldern in Fontainebleau

Bouldering in Fontainebleau – climbers have been doing this for decades. And many more will come, because the sport is booming. But what does that do to the forest? I have been visiting the Women’s Bouldering Festival in Fontainebleau und there I heard a very interesting talk of Gaetane Hay. She is the head of the „tourism and biodiversity unit“ at the local Forestry Office in Bleau and she also is a climber. Her job is to preserve the nature and at the same time, keep everything safe for the boulderers. I am happy that she allowed me to use her speech for a podcast episode, so that I can share her thoughts and knowledge with you. You will hear, that Gaetane is passionate. Not everyone treats Fontainebleau with respect. You will also hear interesting news about new infrastructure, that the officials are planning in Bleau. So have fun with this episode about bouldering in Fontainebleau!